Stadtarchiv Laudatio

Laudatio zur Vernissage der Ausstellung im Stadtarchiv Dresden,

Regina Böhm „Aufbruch“ 09.03. – 08.05.2009:

Meine sehr verehrten Damen und Herren,

mit ihrem Aufbruch zur Jahrtausendwende in die vielschichtigen Dimensionen der Malerei, setzte Regina Böhm für sich selbst ein Zeichen. Ihre Begeisterung wuchs, Erlebnisse in einem Farbrausch zu materialisieren, Gleichnisse auf der Leinwand entstehen zu lassen. Seite an Seite mit der Kunst erstand sie immer wieder neu und entdeckte, je nach mentaler Stimmung, relativ unbestechlich und von immenser Experimentierfreude beseelt, neue Facetten ihrer Art, die Welt zu sehen - einen inneren Reichtum, freien, ungebundenen Gestaltens. Regina Böhm malt sich von der Seele, was sie bedrängt und mit Freude erfüllt, ihre Lebenslust und ihre Zweifel, ihre Trauer und ihre Hoffnung und vor allem ihre Sehnsucht nach harmonischem Ausgleich, die sich in nahezu andächtiger Reflexion von Natur und Mensch artikuliert. Sie macht mit Farben manches wirklich, Farben die den Betrachter wärmen und der täglichen Apokalypse entfremden. Alles Laute liegt ihr fern. Träume und Visionen werden lebendig mit dem ersten Pinselstrich, gewinnen Form und nehmen den eigenen Lebensfaden auf.

Von großer Leuchtkraft sind selbst die Arbeiten, die von rätselhaften Dunkelheiten leben. Man wird als Betrachter unaufdringlich von diesem geheimnisvollen Farbspiel erfasst. Und dennoch ist diese Malerei nicht Illustration einer schwadronierenden Nabelschau. Regina Böhm postuliert nicht Empfindsamkeit mit einer nach außen sprudelnden Kraft expressiver Weltaneignung. Sie hat das Leben geschaut und durchmessen mit seinen Untiefen und dabei die Liebe zum Menschen und der Natur, in der sich Leben im ewigen Kreislauf von Werden und Vergehen spiegelt, nicht verloren. Stille und Harmonie, ein Balancehalten in einer Welt der Ungleichgewichte kennzeichnen ihre Arbeit. Die Bildwelt von Regina Böhm ist von einer ungekünstelten, nahezu spirituellen Poesie beseelt.

Mehr oder weniger ähnelt doch jedes ehrliche Bemühen um die Gestaltung eines Kunstwerkes dem münchhausenen Versuch des Selbstbewusstseins, sich aus der alltäglichen Beengtheit, Gefangen- und Befangenheit im Feld der unbestätigten, subjektiven Wahrnehmungen und Vorstellungen zu befreien. Aber man wird sich niemals verleugnen können. Die Farbwahl und die Formen sind Indizien der eigenen Persönlichkeit. Das Malen ist für Regina Böhm in erster Linie Selbstfindung. Traumbilder, Assoziationen beim Lesen oder Musikhören und schlichtes Betrachten von Menschen und Natur - alles ist Anlaß für Bilder. Das Wesen erscheint wie ein verborgener Schatz, den es in einer durchaus aufreibenden und anstrengenden "Gralssuche" oder in einem endlosen Akt des Aufsuchens von "Wurzeln" zu finden gilt. Spielerisch, mit unbekümmerter Selbstverständlichkeit, nicht ohne Originalität und eigenen Duktus greift sie zu den unterschiedlichsten stilistischen Mitteln. Der subjektive Realismus entspringt einem Bekenntnis zur Malerei und das, was Regina Böhm tut, teilt sich direkt mit und braucht im Grunde keinen Beweis, weil sie nichts beweisen will und muß! So kann sie nach unverstellten Wegen der Mitteilung suchen. Bildnerische Spontaneität und dieFähigkeit zur Improvisation zeichnen die Polyphonie ihrer Arbeitsweise aus. Ihr Tun läuft somit einer verallgemeinernden, endgültigen, normierenden Festlegung zuwider. Sie ist, so vermute ich, eine bekennende Romantikerin, mit einem Hang zum symbolistisch-allegorischen, ein harmoniesüchtiger Mensch, der im Farbrausch dem inneren Klang der Dinge und Begebenheiten auf der Spur bleibt, sowie es Kandinsky einmal vortrefflich in Worte faßte:

"Jede Form hat einen inneren Klang. Es gibt keine Form, wie überhaupt nichts in der Welt, was nichts sagt. Alles Tote erzittert. Nicht nur die bedichteten Sterne, Mond, Wälder, Blumen, sondern auch ein auf der Straße aus der Pfütze blinkender weißer Hosenknopf...Alles hat eine geheime Seele, die öfter schweigt als spricht...auch jeder ruhende und jeder bewegte Punkt, die Linie. In einer Art Echo kommen andere Gebiete des Seelischen zum Mitklingen. Stark fühlende Menschen sind wie gutgespielte Geigen, welche bei jeder Berührung mit dem Bogen in allen Teilen und Fasern vibrieren. Bei der Annahme dieser Erklärung muß das Sehen mit allen anderen Sinnen im Zusammenhang stehen. Das ist auch der Fall. Die Farbe ist ein Mittel einen direkten Einfluß auf die Seele auszuüben. Die Farbe ist die Taste. Das Auge ist der Hammer. Die Seele ist das Klavier mit vielen Saiten. Der Künstler ist die Hand, die durch diese oder jene Taste die Seele in Vibration bringt."

Voller Poesie teilt Regina Böhm sich im Bild mit und wirkt damit der unheimlichen Weltentzauberung entgegen. Und so sprechen die Arbeiten von Regina Böhm auch die Augenlust des Betrachters an. Spontaneität und Konzentration, Überzeichnung, bewußte formale Verzerrung und naturalistische Details gehen Hand in Hand. Expressives, Surreales, Anekdotisches, Metaphorisches, Beschreibendes stehen gleichberechtigt nebeneinander. Ihre Bildwelt wird geprägt von Porträts, Baumstrukturen, Blumen, Wald, Atmosphärischem und musikalisch abstrakter Auflösung. Das Geheimnis bleibt. Die Kenntnis atemberaubender Leere und allgemeiner Leidenschaftslosigkeit läßt sie gegenwärtig mit besonderer Heftigkeit den Pinsel schwingen. Am Ende ist immer Anfang... ein Aufbruch, ein Blühen.

Ich hoffe, Sie erweisen sich, meine sehr verehrten Damen und Herren, als gute Resonanzkörper für die Farbklänge von Regina Böhm.

Karin Weber

Copyright 2006,2007 - Regina Böhm - letzte Aktualisierung : 7.1.2017